Mittwoch, 15. Oktober 2025

Beantragung eines Saisonkennzeichens für unser Wohnmobil. Oder: eine Anekdote über digitale Kompetenz in Deutschland

von Axel 

Es ist geschafft ! Seit heute haben wir ein Saisonkennzeichen für die Monate April bis Oktober, nachdem wir uns nun gegen Wintercamping entschieden hatten. Der Weg dahin war steinig und mühsam, insbesondere WEIL ich mich dazu entschieden hatte diesen Prozess digital durchzuführen.

Auf der Web-Seite der Landesregierung Rheinland-Pfalz wurde zum Thema Sonderkennzeichen behauptet: "Sie beantragen die Zulassung persönlich oder online mit der internetbasierten Fahrzeugzulassung i-Kfz. ". Natürlich gab es keinen Link zu i-Kfz (man will es dem Benutzer ja nicht zu einfach machen) , aber ich fand diesen schnell durch eine Google-Suche.

👆 WARNUNG: der folgende Beitrag ist nur für sehr geduldige Leser geeignet. 

Die erste Frechheit ist der angebotene Cookie-Dialog: "Google Analytics, "Google Remarketing", "Google AdWords" und "Google Tag Manager" sind standardmäßig aktiviert, siehe Screenshot:

Die zweite Frechheit war die Aufforderung, € 144,95 zu bezahlen, bevor ich das Tool überhaupt nutzen konnte. Nach Bezahlung des geforderten Betrags per PayPal stellte ich dann fest, dass die Beantragung eines Saisonkennzeichens offensichtlich nicht als Option bzw. "Zulassungsart" zur Verfügung stand. 

Ich füllte also die angebotene Eingabemaske mit allen benötigten Information aus, inklusive meinem derzeitigen Kennzeichen, und startete den Vorgang, der mich hoffentlich zum Erfolg führen würde; ich hatte an der Stelle schon ein ungutes Gefühl und führte ein erstes Telefonat mit "BVA Online" ( Bundesverkehrsamt Online ), dem Betreiber von i-Kfz. Dort wurde ich angewiesen eine formlose e-Mail an BVA Online zu schicken mit dem Hinweis, dass die gestartete Zulassung, für die ich eine Bestellnummer erhalten hatte, die Beantragung eines Saisonkennzeichens sein soll - mit Angabe der gewünschten "Saison-Monate".

Gesagt getan. Hiermit hatte ich eine Kette von e-Mails und Telfonanrufen initiiert, die mich in den nächsten Tagen beschäftigen sollte. Wenn das die Art und Weise ein soll, wie zukünftig bürokratische Vorgänge in Deutschland digitalisiert werden, dann sehe ich ich für unsere Zukunft noch schwärzer, als ich das eh schon tue.

Der für mich zuständige Mitarbeiter schickte mir einen Link, über den ich ein neues Kennzeichen beantragen sollte. Offensichtlich galten für Saisonkennzeichen besondere Regeln, "damit der Zusatz für die zugelassenen Monate noch auf das Schild passt", so die offizielle Begründung, was sich Wochen später bei meinem physischen Erscheinen auf der Zulassungsstelle in Oppenheim als kompletter Schwachsinn entpuppte.

Ich verbrachte eine halbe Stunde damit ein Wunschkennzeichen zu finden. Niemals gab es einen Treffer, die Antwortzeiten erforderten viel Geduld und die Regeln waren streng: für Saisonkennzeichen nur zwei zusätzliche Buchstaben und Ziffern ! Schließlich gab ich genervt überall Fragezeichen in die Suchmaske ein - mit demselben Ergebnis: keine Nummern verfügbar.

Nachdem ich BVA Online per e-Mail darüber informiert hatte, bekam ich einen Tag später die lapidare Antwort: wir haben es jetzt gefixt, versuchen sie es nochmal.  Tatsächlich war ich erfolgreich, bezahlte weitere € 49,85 für neue Schilder inklusive Versand und erhielt diese tatsächlich einen Tag später per Post zugeschickt.

Als nächstes wurde ich per e-Mail aufgefordert vier PIN-Nummern zu ermitteln, die sich unter den Siegeln der beiden Nummernschilder und unter zwei Siegeln auf Fahrzeugbrief und Fahrzeugschein befinden sollten. Ich bekam dazu den Link zu einem Youtube-Video zugeschickt, wie das zu bewerkstelligen sei: mit äußester Vorsicht natürlich ! "Nehmen Sie sich dafür Zeit !", ermahnte mich mein Sachbearbeiter bei BVA Online.

Das Video begann mit dem Hinweis, dass es in Deutschland zwei Arten von Siegeln gibt; bei einer Art muß zusätzlich noch gerubbelt werden. Der Hinweis, wie man erkennt, welche Art von Siegel man vor sich hat, fehlte allerdings. Ich löste also die Siegel so vorsichtig wie möglich und übermittelte die PIN-Codes per e-Mail, so gut ich sie eben lesen konnte. Es muß noch angefüht werden, daß durch diese Aktion sowohl Nummernschilder wie auch Fahrzeugbrief und Fahrzeugschein ungültig werden.

Die Antwort: die Nummern sind ungültig. Mein freundlicher BVA Online Mitarbeiter führte nochmal ein Telefonat mit mir, in dem auch die Worte enthalten waren: "Ausländer haben damit normalerweise nie Probleme". Ich nahm eine Lupe zur Hand und sah mir die Buchstaben-Fragmente nochmal genauer an. "Könnte auch ein 'p' sein", dachte ich für eine der Nummern und übermittelte die Codes nochmals.

Eine freudige e-Mail erschien am nächsten Tag in meinem Postkorb: "Die Nummern sind richtig !"

Eine weniger freudige e-Mail folgte: "Ich habe Ihnen den falschen Link für die Bentragung eines Kennzeichens geschickt. Für Sie ist ja nicht die Stadt Mainz, sondern die Zulassungsstelle in Oppenheim zuständig. Hier der neue Link. Bitte beantragen Sie neue Kennzeichen." 

Auf meine Frage, ob ich dafür nochmal  € 49,85 zahlen müßte, wurde mir dann zugesichert, daß mir der Preis für den ersten Nummernschilder-Kauf erstattet werden würde. Also beschäftige ich mich mit dem neuen Link, suchte wieder ein Wunschkennzeichen aus, diesmal natürlich mit anderen Regeln ("1-2 Ziffern, 2-4 Buchstaben" behauptete der Hilfetext, die Eingabemaske war da oft anderer Meinung), und bestellte diese.

Eine weitere e-Mail folgte und fragte nach meinem Geburtsort und -datum. "Bitte genau so, wie es in Ihrem Personalausweis steht !" 

Und noch eine e-Mail: jetzt sei eine Online-Identifizierung meiner Person notwendig. Dazu mußte ich eine App auf meinem Handy installieren ( was sonst ? ) und dann meinen Personalausweis mehrmals vor die Kamera halten, hin und her bewegen, das Passbild in einen bestimmten Bildschirm-Ausschnitt bewegen ... nach minutenlanger "Ausweis-Akrobatik", wie ich es mal nennen will, kam dann der lapidare Hinweis: "Identifizierung nicht möglich, ihre Internetverbindung ist unzureichend !"

Ich prüfte meine Internetverbindung inklusive einer Messung meiner Down- und Upload-Geschwindigkeit und konnte keine Probleme feststellen. "Wenn es zum Streamen von HD-Filmen reicht, dann sollte doch die Übertragung eines kleinen Videos von meinem Personalausweis kein Problem darstellen", dachte ich.

Die finalen zwei e-Mails folgten am nächsten Tag. "Ihr Auftrag mit der Nummer #######  wurde storniert." Und von meinem freundlicher BVA Online Mitarbeiter: "Ich gebe auf !". In einem finalen Telefonat mit meinem freundlicher BVA Online Mitarbeiter erfuhr ich dann, daß es Verbindungsprobleme mit der Zulassungsstelle in Oppenheim gegeben hatte und daß in einem solchen Fall der gesamte Online-Vorgang automatisch storniert wird.

Hier endet auf tragische Weise mein Versuch in Deutschland mit Hilfe eines digital implementierten Behördenvorgangs  ein Saisonkennzeichen für mein Wohnmobil zu beantragen.

Ich besorgte mir einen Termin bei der Zulassungsstelle in Oppenheim, wo ich zwar heute physisch hinfahren mußte, aber innerhalb von 45 Minuten meine Saisonkennzeichen erhielt, und zwar mit der exakt selben Nummer, die wir vorher auch gehabt hatten, lediglich mit dem Zusatz "04 - 10". Einen neuen Fahrzeugbrief hätte ich auch nicht gebraucht, das hätte man einfach dort eintragen können, belehrte mich die freundliche Dame hinter der Glasscheibe.

Na danke auch ! Kosten heute: € 34,10 für die Zulassung plus € 54,00 für die Schilder, also unter dem Strich über € 100 günstiger als das nicht funktionierende Online-Verfahren. Die Kosten für das stornierte Online-Verfahren wurden mir übrigens rückerstattet - allerdings ohne Schmerzensgeld.

Soviel also zur digitalen Zukunft in Deutschland. Dieser Vorgang war so absurd, daß ich ihn einfach mal aufschreiben mußte.